Nachruf

Für alle unerwartet und viel zu früh ist das Ehrenmitglied der Österreichischen Statistischen Gesellschaft, Honorarprofessor Hofrat Dr. Alfred Franz am 14. Jänner 2021 in Wien verstorben.


Geboren wurde Alfred Franz 1939 in Schneegattern in Oberösterreich. Das Gymnasium besuchte er in Linz, wo er eine humanistische Ausbildung genoss, auf die er stets zu Recht stolz war. An der Universität Wien studierte er anschließend Rechts- und Staatswissenschaften. Gleich nach Erlangung des Doktorats trat er 1965 in die Dienste des Österreichisches Statistisches Zentralamts. Er tat dies in einer echten Aufbruchsphase der amtlichen Statistik und war von Anfang an mit einem der anspruchsvollsten Projekte der damaligen Zeit befasst, mit dem Aufbau einer amtlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.


1976 wurde er Stellvertretender Leiter der Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, von 1982 bis 1994 fungierte er als Leiter dieser Abteilung. Schon seit 1984 hatte er verschiedene Lehraufträge in Wien und Innsbruck inne, von 1989 bis 2009 wirkte er als Honorarprofessor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Wien.

Vor dem EU-Beitritt Österreichs 1995 leitete er die Acquisverhandlungen und fungierte als Nationaler Koordinator für die Umstellung der österreichischen amtlichen Statistik auf EU-Standards. Von 1994 bis 2001 war er Leiter der Abteilung Sozialstatistik im Österreichischen Statistischen Zentralamt. Mit Beginn des Jahres 2002 trat er in den Ruhestand, was eine Phase noch intensiverer Arbeit für internationale Organisationen (Weltbank, ECE, WHO, OECD, Eurostat, IMF) einleitete. Bei diesen Projekten ging es fast immer um die Erstellung von anspruchsvollen Konzepten.

Der Österreichischen Statistischen Gesellschaft ÖSG war er stets eng verbunden und diente ihr 1982 bis 1995 als geschäftsführenden Sekretär. In dieser Ära konnten eine Reihe vielbeachteter internationaler Tagungen organisiert werden:

1985 1. Input-Output Symposium Baden
1986 Symposium Statistische Ausbildung heute Linz
1988 2. Input-Output Symposium Baden
1989 Symposium Regionalstatistik Graz
1994 Statistische Woche in Wien, gemeinsam mit der Deutschen Statistischen Gesellschaft

Nicht zuletzt konnte die Zeitschrift der Gesellschaft revitalisiert werden. Die ÖSG verlieh ihm 2001 die Ehrennadel für besondere Verdienste. 2008 wurde er zum Ehrenmitglied der ÖSG ernannt.

Die Ernennung zum Ehrenmitglied erfolgte keineswegs wegen seiner Verdienste um die Gesellschaft, sie galt besonders dem Wissenschaftler Alfred Franz. Stets hat er sich mit dem Wesen und den Grundsätzen amtlicher Statistik intensiv auseinandergesetzt. Einige Titel aus der imponierenden Liste von Publikationen (http://www.vgr.cc/cms) sollen dies illustrieren:


1984 Von den ontologischen Konzepten der amtlichen Statistik
1996 Regionale Gesamtrechnungen: Dürfte man, was man tut? Tut man, was man dürfte?“
2008 „Staat“: was ist das? Und wenn man’s weiß: wie messen?

Besonders beschäftigte er sich kritisch mit der gesteigerten Bedeutung und der spezifischen Rolle der Statistik in der EU. Davon zeugen unter anderen diese Veröffentlichungen:

1997 A Class Society of National Accounts Compilers?
2003 Amtliche Statistik als Weltanschauung; Zeitgemäße Prämissen und ihre unzeitgemäßen Konsequenzen

Für den Wissenschaftler Alfred Franz, geprägt von der Gedankenwelt der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, war stets charakteristisch, sich nicht mit isoliert in der Welt stehenden statistischen Einzelaussagen zu begnügen, sondern deren Einbettung in Systeme anzustreben. Wegweisende Beispiele für dieses Streben, das gleichzeitig die Breite seiner Interessen dokumentiert, sind:

1982 Integrierte Lohn- und Einkommenssteuerstatistik, erstmals für 1976
1991 Manual on Tourism Economic Accounts
1993 Entwicklung einer Öko-VGR in Österreich: Input-Output als Alpha und Omega
2005 Gender Accounting: Women’s GDP and beyond

Vor allem aber scheute Alfred Franz nie die Auseinandersetzung mit den fundamentalen Fragen der beschreibenden amtlichen Statistik. Dem „geologischen Aufbau“ des Statistischen Systems – wie er das gerne bezeichnet hat – Rechnung tragend, hat er sich intensiv mit den strategischen Entscheidungen der Statistik – wie der Wahl der statistischen Einheit oder mit Klassifikationsfragen – beschäftigt. Denn wie es Thomas v Aquin in der Schrift „De ente et essentia“, auf Aristoteles aufbauend, formulierte: „Quia parvus error in principio magnus est in fine“ (Weil ein kleiner Irrtum am Anfang am Ende ein großer ist).


Diese wenigen Hinweise geben vielleicht einen kleinen Eindruck in ein reiches und fruchtbringendes Forscherleben, das auf internationaler Ebene mehr Resonanz als im Inland gefunden hat. Für weitere Informationen sei auf das Interview verwiesen, das mit Alfred Franz im Februar 2020 geführt werden konnte und das im AJS 2020 veröffentlicht wurde2. Zuletzt arbeitete Alfred Franz in bewundernswerter geistiger Frische an einem Text zum Begriff und zur Natur der „Statistischen Zahl“. Mit dieser, tief in die philosophischen Grundlagen der Disziplin reichenden, Fragestellung rang er schon seit einigen Jahren. Die Fertigstellung war ihm leider nicht vergönnt.

Josef Richter